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Linksfraktion

Änderungsantrag "Steuerung der Ordnungspolitik statt Einsatz von Bodycams"

Rat 21.6.2022, TOP Ö 22.5

 

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister König,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

hiermit stellen wir folgenden Antrag:

 

1. Auf den Einsatz von Bodycams bei den Mitarbeiter*innen des Kommunalen Ordnungsdienstes wird verzichtet. Dies gilt auch für die vom Bürgermeister angekündigte zweijährige Pilotphase.

 

2. Es erfolgt jetzt eine Evaluation der bisherigen Arbeit des Kommunalen Ordnungsdienstes. Der Evaluationszeitraum betrifft mindestens die letzten zehn Jahre. Gegenstand der Evaluation sind insbesondere die Häufigkeit von Tätigkeiten in bestimmten Bereichen, die jeweils ergriffenen Maßnahmen und die Entwicklung über die Jahre hinweg. Der Rat bzw. der HFA wird bei der Erstellung des schriftlich zu erstellenden Evaluationsberichts beteiligt und verabschiedet diesen. Gleichzeitig wird entschieden, welche Aufgaben des Ordnungsdienstes bestehen bleiben oder wegfallen können.

 

3. Die Ordnungsverordnung der Stadt Witten wird daraufhin überprüft, ob die aufgeführten Verbotstatbestände noch angemessen bzw. zeitgemäß sind, ob sie hinreichend bestimmt sind  und welche ggf. gestrichen werden können.

 

Begründung:

 

Mit Datum vom 15.2.2022 haben die Fraktionen von CDU und WBG eine Anfrage gestellt, aufgrund derer die Ausrüstung der Mitarbeiter*innen des kommunalen Ordnungsdienstes mit Bodycams bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten geprüft werden sollte.

 

In der Begründung wird ausgeführt, dass wissenschaftliche Studien gezeigt hätten, dass die Hemmschwelle körperlicher Gewalt von Personen auf Amtsträger durch das Tragen von Kameras wesentlich erhöht wird. Für die Existenz dieser wissenschaftlichen Studien bleiben die zwei Fraktionen jeden Beleg schuldig.

 

Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass Bodycams in der Lage sind, die Identität angreifender Personen festzustellen. Dafür, dass es bei Identitätsfeststellungen in Witten Probleme gab, liefern die beiden Fraktionen keinen Beleg.

 

Weiterhin wurde auf den Messerangriff am 12.1.2022 auf einen Security-Mitarbeiter verwiesen. Auch diese Erwähnung geht fehl. Denn der Geschehensablauf zeigt, dass der Angriff durch eine Bodycam nicht zu verhindern gewesen wäre. Auch die Identität des Täters konnte problemlos festgestellt werden. Zudem hätte der Mitarbeiter der Security gemäß der Anfrage nicht mit einer Bodycam ausgestattet werden können, da er nicht Teil des Kommunalen Ordnungsdienstes ist.

 

Angesichts dessen ist es umso erstaunlicher, dass der Bürgermeister mit Datum vom 16.5.2022 als Antwort auf die Anfrage erklärt, dass der Verwaltungsvorstand entschieden hat, vorbehaltlich noch zu prüfender Rahmenbedingungen (Datenschutz, Personalrecht, EDV) eine zweijährige Pilotphase zu starten. Die erforderlichen Geräte sollen gemietet werden. Nach Abschluss der Pilotphase sollen die Ergebnisse ausgewertet und über eine dauerhafte Nutzung entschieden werden.

 

Die Antwort erhält keinerlei Darlegung, warum die Ausrüstung überhaupt erforderlich ist. Eine Auswertung der Problemfälle und Problemlagen erfolgt nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Aufrüstung des Kommunalen Ordnungsdienstes sachlich nicht gerechtfertigt ist.

 

Unklar bleibt auch, wer die Ergebnisse der vom Bürgermeister vorgeschlagenen Pilotphase auswerten soll und wie das geschehen wird. Wie bei der Entscheidung, ob Bodycams eingeführt werden, bleibt der Rat hier anscheinen außen vor. Dies wird der Problematik nicht gerecht.

 

Zudem ist zu befürchten, dass es sich hier nur um einen ersten Schritt zur weiteren Aufrüstung des Kommunalen Ordnungsdienstes handelt. Als weitere Schritte könnten die Ausrüstung mit Schlagstöcken, Pfefferspray oder Hunden erfolgen. Einer solchen Entwicklung ist bereits von Anfang an entgegenzutreten. Der Kommunale Ordnungsdienst darf sich nicht zu einer „Polizei light“ entwickeln.

 

Weiterhin fehlt es in der Antwort des Bürgermeisters an jeder Kostenangabe oder gar einer Haushaltsstelle, aus der das Pilotprojekt bezahlt werden soll.

 

Die fehlende Beteiligung des Rates bei der Entscheidung über das Pilotprojekt ist aber nur ein Beispiel der mangelnden Partizipation des Rates bei der Entscheidung über die Ausrichtung der Ordnungspolitik in Witten. Zwar stellen vereinzelt Ratsfraktionen Anträge bzgl. Sauberkeit in der Stadt oder haben eine liberale Regelung für Straßenmusiker*innen erwirkt. Eine umfassende Beschäftigung mit der Ordnungspolitik in Witten erfolgt im Rat und seinen Gremien aber nicht. Hier gilt es, das Kommunalparlament wieder zum entscheidenden Faktor zu machen.

 

Dazu ist zuerst die bisherige Arbeit des Ordnungsdienstes zu evaluieren. Gegenstand der Evaluation sind insbesondere die Häufigkeit von Tätigkeiten des Ordnungsdienstes in bestimmten Bereichen, die jeweils ergriffenen Maßnahmen und die Entwicklung über die Jahre hinweg. Als Evaluierungszeitraum sind mindestens die letzten zehn Jahre anzusetzen. Es ist nicht ersichtlich, dass es für diesem Zeitraum eine Evaluation gegeben hätte. Es ist sogar nicht ersichtlich, dass es bisher überhaupt eine derartige Evaluation gegeben hat. Aufgrund der Evaluation wird ein schriftlicher Evaluationsbericht erstellt.

 

Um das Primat der Politik bei der Wittener Ordnungspolitik sicher zu stellen, werden der Rat bzw. der HFA bei der Erstellung des schriftlichen  Evaluationsberichts beteiligt. Der Rat verabschiedet diesen. Gleichzeitig wird entschieden, welche Aufgaben des Kommunalen Ordnungsdienstes bestehen bleiben oder wegfallen.

 

Zudem wird die Ordnungsbehördliche Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Witten (Ordnungsverordnung) überprüft. Gerade der Begriff der öffentlichen Ordnung knüpft an die „jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen“ an. Diese ändern sich im Laufe der Jahre und sind daher zu überprüfen. Zudem ist zu prüfen, inwieweit sozialdiskriminierende Tatbestände in der Ordnungsverordnung aufgeführt sind. Diese sind ggf. zu streichen. Hinsichtlich der Verbotstatbestände ist zudem zu prüfen, ob sie hinreichend bestimmt sind.

 

 

Ulla Weiß                                                                                           Oliver Kalusch

(Fraktionsvorsitzende)                                                                      (Ratsmitglied)


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