Anfragen Fraktion Witten

Kulturforum: Nachfrage: Fragliche Rückgabeverpflichtung des Bildes Zirkusreiterin

DIE LINKE. Fraktion Witten

Sehr geehrte Frau Leidemann,

vielen Dank für Ihre Antworten vom 4.4.2016 zu unserer ersten Anfrage bezüglich der Rückgabeverpflichtungen des Bilds Zirkusreiterin von Max Pechstein.

Leider sind Sie auf einige uns wichtige Punkte nicht eingegangen.

Daher haben wir folgende Nachfragen zu dem Vorgang:

1. Es erscheint sehr fragwürdig, den Keilrahmen mit den Aufklebern der Galerie Flechtheim vom Bild Zirkusreiterin trennen zu wollen. Die Aufkleber der Galerie Flechtheim am Rahmen sind ein sehr starkes Indiz dafür, dass Herr Flechtheim dieses Bild in seinem Besitz hatte. So hatte sich Frau Dr. Terlau auch mündlich in der letzten Sitzung des Verwaltungsrates geäußert.

Welche Beweise haben Sie für die These in der Antwort, dass sich der Keilrahmen nicht immer an diesem Werk befunden haben muss?

2. In Ihrer Antwort vom 4.4.2016 führen Sie aus, dass Sie „zusätzlich den fachlichen Rat einer Restauratorin hinzugezogen haben.“ Einzelaussagen dieser Untersuchung werden in Ihrer Antwort zitiert. Leider finden sich in den zitierten Passagen Mutmaßungen, so z. B.: … „Somit kann auf eine Zweitverwendung des Keilrahmens geschlossen werden. …“ Beweise für diese Behauptung fehlen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung insgesamt liegen uns leider nicht schriftlich vor.

Können Sie uns das Gutachten der Restauratorin bitte in schriftlicher Form aushändigen, um diese Punkte klären zu können?

3. Die Frage 2 in der vorherigen Anfrage ist gar nicht beantwortet worden. Daher stellen wir sie hier noch einmal:

Die Aufkleber können aber zumindest als Zeichen für einen zeitweiligen Besitz des Bildes durch Alfred Flechtheim gewertet werden.

Für die Regelung von Eigentumsbesitzverhältnissen gibt es Hinweise. § 1006 Absatz 2 BGB lautet: „Zugunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei.“

In den mündlichen Beratungen des Verwaltungsrats Kulturforum am 25.2.2016 hat Frau Dr. Terlau auf Nachfrage geantwortet, dass sie als Gutachterin sagen könnte, dass das Bild Zirkusreiterin von Max Pechstein sich zumindest zeitweilig im Besitz von Alfred Flechtheim befunden hat.

Wenn Alfred Flechtheim ca. 1922 zeitweilig Besitzer des Bildes war, kann aufgrund der gesetzlichen Regel in § 1006 Absatz 2 vermutet werden, dass er auch Eigentümer war.

Bezieht das Kulturforum für die Bewertung des Rückgabeverlangens an dem Bild Zirkusreiterin diese rechtlichen Aspekte mit ein?

4. In der Antwort auf die erste Anfrage der LINKEN zu dem Thema Restitution der Zirkusreiterin beziehen Sie sich explizit auf die zentralen Ergebnisse des Gutachtens von Frau Dr. Terlau auf der ersten und letzten Seite.

Auf der ersten Seite findet sich keine Feststellung, die beweisen würde, dass das Bild vor 1935 nicht im Besitz von Alfred Flechtheim gewesen ist. Es werden lediglich Mutmaßungen geäußert.

Auf der letzten Seite wird u. a. festgestellt, dass ein weiterer Forschungsbedarf besteht.

Die Schlussfolgerung von Dr. Terlau: „Nach den bisherigen Erkenntnissen der durchgeführten Provenienzforschung gibt es keinen Hinweis auf einen möglichen NS-verfolgten Entzug, insbesondere nicht aus dem Besitz des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim“ ist nicht auf Beweise gestützt.

Es gibt keine anderen Besitzhinweise für das Bild Zirkusreiterin außer den Aufklebern der Galerie Flechtheim für den Zeitraum bis ca. 1935.

In dem Schreiben von RA Stötzel vom 5.12.2014 an das Kulturforum Witten, das uns in Kopie vorliegt, führt er aus, dass der verwendete Aufkleber „typisch für die Kennzeichnung der Galeriebestände sowohl der ersten Galerie Flechtheim in Düsseldorf in der Zeit von 1913 bis 1917 – also vor Ausbruch und während des Ersten Weltkriegs – gewesen ist, wie dieser Aufkleber aber auch noch in der unmittelbaren Nachkriegszeit nach Wiedereröffnung der Galerie Flechtheim zu Ostern 1919 und bis zur Erweiterung der Galerie Flechtheim und der Gründung von Zweigniederlassungen von Berlin, Köln, Frankfurt und Wien ab 1921 Verwendung fand. … Aufgrund dessen können wir den Zeitpunkt des Erwerbs des Gemäldes auf die Zeit vor Ende 1921 eingrenzen. …Den Zeitpunkt der Wiederveräußerung nehmen wir für frühestens Anfang 1935 an…“

Diese Feststellungen werden auch von Frau Dr. Terlau nicht widerlegt.

Sind daher die Aufkleber nicht als die wichtigsten Indizien für einen früheren Besitz der Galerie Flechtheim am Bild Zirkusreiterin zu werten, zumal es keine Beweise für einen anderen Besitzer in dieser Zeit gibt?

5. Zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung zur Rückgabe NS-verfolgten entzogenen Kulturguts haben sich die Bundesregierung, die Landesregierungen und die kommunalen Spitzenverbände verpflichtet, Ansprüche auf Rückgabe zu prüfen:

Aus der gemeinsamen Erklärung:

„Die Bundesrepublik Deutschland hat - ungeachtet dieser materiellen Wiedergutmachung - auf der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen am 3. Dezember 1998 erneut ihre Bereitschaft erklärt, auf der Basis der verabschiedeten Grundsätze und nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden. In diesem Sinne wird der Stiftungsratsbeschluss der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom 4. Juni 1999 begrüßt.

Die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände werden im Sinne der Washingtoner Erklärung in den verantwortlichen Gremien der Träger einschlägiger öffentlicher Einrichtungen darauf hinwirken, dass Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden können, nach individueller Prüfung den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden. Diese Prüfung schließt den Abgleich mit bereits erfolgten materiellen Wiedergutmachungsleistungen ein. Ein derartiges Verfahren ermöglicht es, die wahren Berechtigten festzustellen und dabei Doppelentschädigungen (z. B. durch Rückzahlungen von geleisteten Entschädigungen) zu vermeiden.

Den jeweiligen Einrichtungen wird empfohlen, mit zweifelsfrei legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben über Umfang sowie Art und Weise einer Rückgabe oder anderweitige materielle Wiedergutmachung (z. B. gegebenenfalls in Verbindung mit Dauerleihgaben, finanziellem oder materiellem Wertausgleich) zu verhandeln, soweit diese nicht bereits anderweitig geregelt sind (z. B. durch Rückerstattungsvergleich).“

http://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/Grundlagen/GemeinsameErklaerung.html

Abgerufen am 27.2.2016, Hervorhebungen von DIE LINKE

RA Stötzel ist entsprechend der Vereinbarung an das Märkische Museum mit der Bitte um Rückgabe herangetreten. Durch die Indizwirkung der Aufkleber der Galerie Flechtheim wird zumindest ein zeitweiliger Besitz des Bildes von Alfred Flechtheim nahe gelegt.

Weder das Gutachten von Frau Dr. Terlau noch andere Ausführungen haben bisher Beweise erbracht, dass dies nicht der Fall gewesen ist.

Dass Alfred Flechtheim wegen seines jüdischen Glaubens und seines Engagements für Moderne Kunst aus Deutschland nach London fliehen musste, ist unbestritten. Schon vor der endgültigen Machtergreifung der Nazis gingen aus der gesamtgesellschaftlichen Stimmung viele faktische Verfolgungen und Demütigungen gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, Kommunisten und Sozialisten etc. voraus.

Als Verpflichtete zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung zur Rückgabe NS-verfolgten entzogenen Kulturguts stehen wir als Mitglieder im Verwaltungsrat Kulturforum auch in einer moralischen Verantwortung, eine faire Lösung in dieser Auseinandersetzung um das Bild Zirkusreiterin zu finden.

Wird das Kulturforum daher die Indizwirkung der Aufkleber so interpretieren, dass sie den zeitweiligen Besitz von Alfred Flechtheim am Bild Zirkusreiterin nahe legen und das Bild daher zu restituieren ist?

Mit freundlichen Grüßen

Ursula Weiß

Fraktionsvorsitzende und Mitglied im Verwaltungsrat Kulturforum


Beate Albrecht

Sachkundige Bürgerin und Mitglied im Verwaltungsrat Kulturforum