Keine Bezahlkarte für Geflüchtete in Witten

Linksfraktion

Änderungsantrag zu Tagesordnungspunkt Ö 14.5

Basiskonto und diskrimierungsfreie EC/Debitkarte statt diskriminierender Bezahlkarte

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister König,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Fraktion DIE LINKE. stellt folgenden Änderungsantrag zu Tagesordnungspunkt Ö 14.5 der o.a. Sitzung des Rates der Stadt Witten:

 

1. Der Rat der Stadt Witten lehnt die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete in Witten ab. Die Verwaltung wird beauftragt, die ihr möglichen Schritte gegen die Einführung einer derartigen Bezahlkarte zu ergreifen.

 

2. Die Verwaltung wird beauftragt, Geflüchtete dabei zu unterstützen, ein Basiskonto bei einem Geldinstitut sowie eine diskriminierungsfreie EC/Debit Karte zu erhalten. Städtische finanzielle Leistungen sind auf dieses Konto zu überweisen.

 

 

Begründung:

 

Seit Monaten wird über die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete in Deutschland diskutiert. Inzwischen liegt eine Formulierungshilfe der Bundesregierung vor, die von den Regierungsfraktionen in den Bundestag eingebracht werden soll. Eine genaue Ausgestaltung der Bezahlkarte steht zwar noch aus, jedoch ergibt sich aus der bisherigen Diskussion die Notwendigkeit einer frühzeitigen ablehnenden Positionierung.

 

Ziel der Bezahlkarte ist nicht die Erleichterung eines bargeldlosen Zahlungsverkehrs für Geflüchtete. Vielmehr soll sie als eine „Eintrittskarte für Schikane“ Geflüchteten so viele Schwierigkeiten wie möglich bereiten, um eine Abschreckungswirkung zu erzielen.

 

Dabei lässt bereits die Zielsetzung der Abschrecklung erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der mit der Bezahlkarte verbundenen Restriktionen mit dem Grundgesetz aufkommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung von 2012 die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für jeden Menschen ausdrücklich festgehalten und erklärt, dass die Menschenwürde nicht »aus migrationspolitischen Gründen relativiert« werden dürfe.

 

Drei der größten Probleme, wie sie in der Stellungnahme von Pro Asyl vom 2.2.2024

https://www.proasyl.de/news/bezahlkarte-ohne-standards-laender-vereinbaren-diskriminierungskonzept/

aufgeführt sind, sind folgende:

 

„Keine Überweisungen: Die Bezahlkarte ist nicht mit einem Bankkonto verknüpft, eine Überweisungsmöglichkeit soll explizit ausgeschlossen sein. Überweisungen sind heutzutage aber unentbehrlich – etwa für einen Handyvertrag, für den Abschluss einer Haftpflichtversicherung oder manche kleine Einkäufe im Internet. Geflüchtete müssen insbesondere die Raten für ihre dringend benötigten Rechtsbeistände per Überweisung bezahlen können. Nicht alle Anwält*innen verfügen über ein Debitkartenterminal. Und dass die Geflüchteten jeden Monat zur Abbuchung oder zur Barzahlung zu ihrem Rechtsbeistand reisen, ist aufwendig und kostet wiederum Geld. Ohne Überweisungsmöglichkeit werden Geflüchtete aus einem wichtigen Bereich des Lebens ausgegrenzt und ihrer Selbständigkeit beraubt.

 

Beschränkung von Bargeld: Die Länder haben sich nicht einmal auf einen relevanten Mindestbetrag verständigt, der von den Betroffenen in bar abgehoben werden kann. Wer in Deutschland ohne Bargeld lebt und nur wenige Dinge in bestimmten Läden kaufen kann, verliert an Selbstbestimmung und macht demütigende Erfahrungen, etwa wenn der Euro für die öffentliche Toilette oder der Beitrag für die Klassenkasse fehlt. Beim Gemeindefest oder in der Schulcaféteria kann man mit der Bezahlkarte nichts kaufen.

 

Im Sozialrecht ist anerkannt, dass Menschen selbstständig wirtschaften und selbst entscheiden sollen, welchen Teil ihres Geldes sie wofür ausgeben. Eine Beschränkung des Bargeldbetrags schränkt die Verfügungsgewalt der Menschen über die selbstständige Gestaltung ihres Lebens ein. Letztlich greift ein Bargeldentzug in Verbindung mit einer beschränkten Zahlmöglichkeit der Geldkarte die Menschenwürde der Betroffenen an.

 

Regionale Beschränkung: Die Bezahlkarte kann so eingestellt werden, dass sie nur innerhalb eines bestimmten Postleitzahlenbereichs funktioniert. Die regionale Einschränkung der Karte stellt offenkundig den Versuch dar, die Freizügigkeit der Betroffenen durch die Hintertür zu beschränken: Wer Verwandte oder Freund*innen besucht oder einen weiter entfernten Facharzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen möchte, kann in ernste Schwierigkeiten geraten, wenn er*sie nicht einmal eine Flasche Wasser kaufen kann.“

 

Dabei ist klar, dass die mit der Einführung der Bezahlkarte einhergehenden Nutzungsbeschränkungen Menschen, die vor Krieg, Bürgerkrieg, Diktaturen, Umweltkatastrophen oder Armut fliehen, ihre Entscheidung zur Flucht nicht davon abhängig machen, ob in einem Land die Auszahlung von staatlichen Leistungen in bar oder per Bezahlkarte erfolgt. Was aber feststeht ist, dass die Verbreitung solcher Aussagen zum Erstarken rechtspopulistischer Narrative über Geflüchtete beiträgt, die besagen, dass diese nur aus finanziellen Gründen nach Deutschland kommen würden. Dies vergiftet die gesellschaftliche Atmosphäre in Deutschland weiter.

 

Dass den Geflüchteten die Möglichkeit zu Geldüberweisungen genommen werden soll, wird mit der Unterbindung illegaler Geldtransfers ins Ausland, z.B. zur Finanzierung von Schleppern begründet. Dass illegale Geldtransfers überhaupt stattfinden, wird nicht im Ansatz belegt. Stattdessen werden Geflüchtete einem diskriminierenden Generalverdacht unterzogen, dem sich keine Person mit deutschem Pass aussetzen muss.

 

Und wenn sich Geflüchtete einen kleinen Betrag vom Mund absparen und in das Heimatland überweisen, ist dies nicht verwerflich. In der Regel sind es Überweisungen an die Familie oder Freunde im Herkunftsland für alltägliche Kosten, Arztbesuche oder Schulgeld. Dies ist nicht illegal, sondern ein Beleg für Menschlichkeit.

 

Dass diese Diskriminierung nur der Türöffner für weitere Personengruppen ist, wird auf der Homepage der CDU-Fraktion Witten deutlich. Dort lässt sich der sozialpolitische Sprecher der Wittener CDU-Fraktion zitieren: „Wenn die Bezahlkarten den gewünschten Erfolg liefern, sollte im Nachgang auch eine Ausweitung auf diejenigen Flüchtlinge geprüft werden, die nicht unter das AsylbLG fallen.“ Explizit genannt werden „Ukrainer und Flüchtlinge, deren Asylanträge bereits genehmigt wurden“, die Bürgergeld beziehen.

 

Offensichtlich soll die Bezahlkarte und die damit verbundene Diskriminierung aber auch nicht auf diese Personengruppen beschränkt werden. So hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Maximilian Mörseburg die Bezahlkarte auch für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld unabhängig von der Nationalität in die Diskussion gebracht.

 

Statt einer diskriminierenden Bezahlkarte bedarf es einer barrierefreien sozialen und finanziellen Integration der hier lebenden Menschen. Dazu gehören ein Basiskonto und eine EC/Debit-Karte, die keinen diskriminierenden Einschränkungen unterworfen sind. Dies gilt auch für Geflüchtete. Städtische Geldleistungen sollen auf ein derartiges Konto überwiesen werden. Soweit Geflüchtete noch keinen Zugang hierzu haben, soll die Stadtverwaltung sie dabei unterstützen, ein solches Basiskonto sowie eine EC/Debit Karte zu erhalten.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Ulla Weiß                                                                                           Oliver Kalusch

(Fraktionsvorsitzende)                                                                      (Ratsmitglied)


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