Kanalsanierung statt Haushaltssanierung durch hohe kalkulatorische Zinsen

Linksfraktion Witten

Sehr geehrter Herr König,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Witten beantragt, das Produkt 11 02 01 „ESW“ wie folgt zu ändern:

 

In Produkt 11 02 01 „ESW“ Nr. 19 wird das Konto 469500 „Erträge aus Gewinnanteilen von Sondervermögen“ auf 0,00 EUR gesetzt.

 

Begründung:

Der Vorbericht zum Haushaltsplan 2021 weist unter Nr. 1.1.7 (Seite 21) den Posten „Gewinnablieferung ESW“ für die Jahre 2020 bis 2024 aus. Dies entspricht dem Konto 469500 „Erlöse aus Gewinnanteilen von Sondervermögen“ der Nr. 19 des Produkts ESW in der Produktgruppe 11 02 „Eigenbetrieb Stadtentwässerung (ESW)“. Hierbei handelt es sich jeweils um den Jahresüberschuss der ESW, der an die Stadt Witten überwiesen wird. Er weist für 2021 einen Betrag von 5.713.800 EUR aus.

Dieser Jahresüberschuss ist jeweils im Jahresabschluss der ESW festgehalten, der zuletzt in der Ratssitzung vom 15.12.2020 (Tagesordnungspunkt Ö15) festgestellt wurde. Demgegenüber steht die Gebührenbedarfsberechnung, die Grundlage der Entwässerungsgebührensatzung ist (siehe Tagesordnungspunkt Ö16 der Ratssitzung vom 15.12.2020). Hier soll u.a. nachgewiesen werden, dass mit den Entwässerungsgebühren kein Gewinn gemacht wird, was unzulässig wäre. Erreicht wird dies u. a., in dem hohe kalkulatorische Zinsen in die Kalkulation der Abwassergebühren eingestellt werden. In Witten betragen diese 5,5%, was zu einer Kostenstelle von ca. 6,5 Millionen Euro in der Gebührenkalkulation führt. Diese kalkulatorischen Zinsen ergeben sich aus der fiktiven Verzinsung des eingebrachten Kapitals, beispielsweise von Entwässerungsanlagen wie Teile des Kanalnetzes. Begründet wird diese Verzinsung damit, dass dieses gebundene Kapital für andere Zwecke hätte eingesetzt werden können.

Allerdings wird für die Verzinsung dieses Kapital keine derzeit realistische Verzinsung angesetzt. Derzeit liegt eine Niedrigzinsphase vor, mit der sich ein fiktiver Zinssatz von 5,5 % nicht in Einklang bringen lässt. Dieser hohe Zinssatz ergibt sich, wenn man auf den Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten der letzten 50 Jahre abstellt. Hinzu kommt ein Sicherheitszuschlag von 0,5 %. Diese Berechnungsgrundlage ist nicht realistisch.

Die Berechnungsform in allgemeiner Art wird in einer Klage des Bundes der Steuerzahler vor dem Oberverwaltungsgericht Münster derzeit gerichtlich überprüft.

Zudem werden die so von der ESW erzielten Gelder nicht für die Zwecke der Entwässerung eingesetzt, sondern fließen in den allgemeinen Haushalt (u. a. der Stadt Witten). Diese Verwendung ist als sachfremd anzusehen.

Demgegenüber steht der Bericht des Gewässerschutzbeauftragten der Stadt Witten von 2019 (Sitzung des Betriebsausschusses ESW vom 1.12.2020, Tagesordnungspunkt Ö3), der festgestellt hat, dass 2019   6,74 km des Kanalnetzes der Schadensklasse 0 (Handlungsbedarf: sofort; sehr starker Mangel [Gefahr im Verzug]) zuzuordnen waren. 2017 waren es  8,17 km was angesichts der Dringlichkeit nur eine sehr langsame positive Entwicklung darstellt. Bei der Schadensklasse 1 (Handlungsbedarf: kurzfristig; starker Mangel) waren es 2017  27,71 km und 2019  28,32 km). Defekte Abwasserkanäle können zu erheblichen Schäden an Böden und Grundwasser führen.

Aufgrund dessen ist es geboten, keine Gewinnablieferungen der ESW an die Stadt Witten mehr durchzuführen. Der Betrag von 5,7 Millionen Euro in 2021, der wesentlich aus den hohen kalkulatorischen Zinsen resultiert, sollte verwendet werden, um das Kanalnetz zügig zu sanieren. Alternativ hierzu könnten die kalkulatorischen Zinsen gesenkt werden, und der geminderte Betrag auf der Ausgabenseite für Kanalsanierungen eingestellt werden.

Dies sollte auch in den Folgejahren fortgesetzt werden, bis alle Kanäle saniert sind. Danach ist zu entscheiden, in welcher Höhe die kalkulatorischen Zinsen zugunsten der Gebührenzahlenden zu senken sind.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Weiß                                                                             Oliver Kalusch

(Fraktionsvorsitzende)                                                      (Fraktionsgeschäftsführer)


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