Die Linke Fraktion Witten: Reden/Haushaltsreden

Rede zum Haushalt 2013

vorgetragen vom Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Wolf


Jürgen WolfFrau Bürgermeisterin, geehrte Damen und Herren,wir gehen nun in das zweite Jahr der Umsetzung des Stärkungspaktgesetzes. Es ist der zweite städtische Haushalt der innerhalb weniger Monate unter dieser Rahmenbedingung verabschiedet werden soll.

In meiner Rede vom 25.06.2012 bin ich bereits ausführlich auf den „Stärkungspakt", der für die Kommunen ein „Schwächungspakt" ist, eingegangen. Ich habe erklärt, wie es zur Überschuldung vieler Kommunen in NRW gekommen ist, wann und wie es zu diesem Gesetz kam und wie DIE LINKE es mit aller Kraft zu verhindern versucht hat, damit die Kommunen in NRW nicht finanziell ausbluten. Dies alles könnte ich heute wieder genauso vortragen, da das Thema nichts an Aktualität verloren hat und sich die finanziellen Rahmenbedingungen nur marginal verbessert haben.

DIE LINKE im Rat der Stadt Witten ist nach wie vor der Meinung, dass das Ziel, den Wittener Haushalt bis 2016 auszugleichen nicht erreicht werden kann und dass Witten so nicht aus der Schuldenfalle entkommen kann. Die jährlichen Zahlungen des Landes von 7,2 Millionen Euro bis 2016 reichen dafür nicht aus. Und mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine da.

Lassen sie mich deshalb aus dem Kommunalfinanzbericht 2012, einer von ver.di in Auftrag gegebenen Studie zitieren. Hier heißt es auf Seite 56:

„Der von der Landesregierung aufgelegte Stärkungspakt Stadtfinanzen und die strukturellen Einnahmenverbesserungen aufgrund bundes- und landespolitischer Maßnahmen sind zu gering dimensioniert. Sie können das Problem lediglich lindern und drohen aufgrund einer viel zu großen bei den Kommunen verbleibenden Konsolidierungslücke die Kommunen zu überfordern und ohne realistische Perspektive zu belassen."

Keine realistische Perspektive! Aber was kann denn da dann noch gemacht werden. Diese Frage beantwortet die Studie wie folgt:
„Eine realistische Perspektive würde erst eröffnet, wenn die Summe aus strukturellen Einnahmenverbesserungen und Konsolidierungshilfen insbesondere von Seiten des Bundes und des Landes gegenüber dem Status quo um mindestens 2 Mrd. Euro jährlich erhöht würde. Eine solche Erhöhung wäre auch angesichts der bundes- und landespolitischen Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit (mangelnde Konnexität bei den Sozialausgaben, massive Steuersenkungen, Eingriffe in den KFA) angebracht, die wesentlich für die kommunale Finanzmisere und den Anstieg der Kassenkredite in NRW verantwortlich sind."Aber diese notwendigen Schritte werden nicht ergriffen. Bereits aus diesem Grund lehnen wir den Haushaltsentwurf für das Jahr 2013 ab. Er kann keine Perspektiven für diese Stadt aufzeigen.

Angesichts des finanziellen Desasters des städtischen Haushalts müssen stattdessen auch ungewöhnliche Ideen zur Verbesserung der finanziellen Situation der Stadt Witten ergriffen werden. Daher haben wir beantragt, dass sich die Stadt Witten auf Bundes- und Landesebene dafür einsetzt, eine Steuer auf große Vermögen, d.h. 5% ab einem Nettovermögen von 1 Million Euro einzuführen. Durch diese Millionärssteuer können bundesweit Mehreinnahmen in Höhe von 80 Milliarden. Euro jährlich erzielt werden. Bei Aufteilung dieser Steuer auf die Länder erhält NRW 20 %. Dies entspricht 16 Mrd. €.Wird der erhöhte kommunale Finanzausgleich für die einzelnen Städte und Gemeinden berechnet, würde die Stadt Witten ca. 21 Mio. € im Jahr mehr erhalten, ein „Stärkungspakt" wäre überflüssig und unsere Stadt könnte wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen.

Dagegen stellt der Haushaltsentwurf ebenso wenig wie der Stellenplan eine positive Perspektive für Witten dar. Auch wenn die Zahl der städtischen Beschäftigten im Jahr 2013 nominell um 7 Personen steigt, ist die Zahl der Auszubildenden mit 13 deutlich zu gering, denn sie ersetzen nicht die Anzahl der freiwerdenden Stellen durch Altersteilzeit und Rentenbezug, worauf auch schon die Gleichstellungsbeauftragte hingewiesen hat.
Für die darauf folgenden Jahre ist ein weiterer deutlicher Abbau der Personalzahl vorgesehen. Die damit verbundene Arbeitsverdichtung hat schon jetzt in manchem Ressort zu einer Überlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt. Die daraus resultierenden Auswirkungen bekommen die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt schon jetzt zu spüren. Einem Stellenplan, der auf Personalabbau und eine immer stärkere Verdichtung von Arbeit setzt, werden wir nicht zustimmen.

Nun liegt ein Sanierungsplan vor, zu dem unsere Kommune verpflichtet wurde - aber die fleißigen Sparanstrengungen der anderen Ratsfraktionen reichen der Kommunalaufsicht nicht aus. So sollen zusätzlich noch 3,5 - 7 Millionen Euro eingespart werden.

Ja, wo soll denn noch gespart werden, wie weit soll das noch gehen? Diese Stadt ist keine Zitrone, die beliebig ausgequetscht werden kann. Die Illusion, dass die Anforderungen der Kommunalaufsicht und der rot-grünen Landesregierung erfüllt werden können, zerplatzt jetzt wie eine Seifenblase.

Welches Leitbild einer Kommune haben die Kommunalaufsicht und die Landesregierung eigentlich? Eine Stadt, die ihr Eigentum vollständig verkauft , kein kulturelles Angebot mehr besitzt, ihre sozialen Aktivitäten einstellt - aber im Gegenzug Steuern wie die Hundesteuer, die Grundsteuer B oder die Gewerbesteuer erhebt, die in ihrer Endphase doppelt so hoch sind wie die Steuersätze vergleichbarer Kommunen? Wer will dann noch in Witten leben und welche Zukunft hat diese Stadt?

Wir haben uns als LINKE, ob im Land oder in der Kommune, eindeutig gegen den Stärkungspakt ausgesprochen und werden uns an schmerzhaften Einschnitten für Bürger und Bürgerinnen nicht beteiligen.

Bei den geplanten Streichungen von Angeboten und Steuererhöhungen sollen die Bürgerinnen und Bürger für Defizite aufkommen, die durch Land und Bund verschuldet wurden.

Aber immer mehr Menschen in diesem Land haben immer weniger Geld in der Tasche. Durch Zeitarbeit und Niedriglohn, aber vor allem durch die unsozialen sogenannten Hartz IV-Gesetze nimmt Armut in diesem Land zu, wie die Armutsberichte von Land und Bund zeigen. Diese Lage ist sogar so dramatisch, dass sich die Bundesregierung zu drastischen Maßnahmen veranlasst sieht: Nein - nicht die notwendige Verbesserung der finanziellen Situation der Marginalisierten - sondern das Frisieren des Armutsberichtes, damit unbequeme Wahrheiten wie die ungerechte Einkommensverteilung in diesem Land nicht mehr ausreichend dargestellt werden.

Beispielsweise führt die erneute Anhebung der Grundsteuer B zu einer Mieterhöhung, die vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen eine kaum vertretbare Belastung bedeuten.

Deswegen haben wir auch den Antrag gestellt, die Grundsteuer B auf dem Stand von 470% zu belassen.

Eine existenzielle Bedrohung kann die kommende Erhöhung der Strompreise für Menschen mit niedrigem Einkommen darstellen. Bezieher von ALG II müssen die Stromerhöhung aus ihrem Regelsatz bezahlen. Deswegen beantragen wir, auf die Stadtwerke einzuwirken, einen Sozialtarif einzuführen.

Uns geht es um die Verbesserung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in Witten. Die Menschen sollen sich gerne in Witten aufhalten und sich wohlfühlen. Sie haben ein Recht auf ein gutes Leben in dieser Stadt.

Deshalb haben wir Anträge eingebracht, die die Aufenthaltsqualität in der Stadt erhöhen sollen, wie die „Grüne Oase auf dem Kornmarkt", die Begrünung der Ruhrstraße zur Verbesserung der Luftqualität und erste Schritte zum Schutz vor den Folgen desn Klimawandels.

Aber wir haben auch Anträge eingebracht, mit denen wir einen sinnvollen Beitrag zur Sanierung des desolaten städtischen Haushaltes leisten wollen:

Die Einführung einer Millionärssteuer haben wir bereits erwähnt.

Darüberhinaus sprechen wir uns für eine weitergehende Erhöhung der Vergnügungssteuer als vorgesehen aus. In den heutigen Spielhallen sind praktisch nur noch Geldspielautomaten vorhanden, bei denen innerhalb weniger Minuten problemlos 50 Euro verspielt werden können. Dies ist kein Spiel mehr, sondern das Ausnehmen von Spielsüchtigen. Solange die bundesgesetzlichen Grundlagen nicht vorhanden sind, dies wirksam zu unterbinden, müssen zumindest die Gewinne soweit wie möglich abgeschöpft werden.

In einem weiteren Antrag soll der Aufsichtsrat der Sparkasse gebeten werden, die Honorare für Reden auf einen Betrag von höchstens 500 € zu begrenzen. Die somit eingesparten Gelder sollen in den Haushalt der Stadt Witten fließen.

Es ist von der Spitze der Stadtsparkasse bereits instinktlos, in einer verarmenden Region mit Peer Steinbrück jemanden einzuladen, der ein begeisterter Anhänger der Agenda 2010, ein engagierter PPP-Verfechter und ein Protagonist neuer kreativer Finanzprodukte ist, die manche Kommunen fast in die Pleite getrieben haben. Von 1998 bis 2005 war Herr Steinbrück zudem maßgeblich für die Kontrolle der WestLB verantwortlich. Die Fachwelt ist sich über die Rolle von Peer Steinbrück einig: Unter den Augen des Kontrolleurs Steinbrück verwandelte sich die ehemals provinzielle Landesbank in eine international tätige Zockerbude, die im Finanzkasino mitspielte und schon lange vor der Krise Milliarden verbrannte. Die Finanzgeschäfte, die der WestLB wenige Jahre später das Genick brechen sollten, nahmen unter der Ägide Steinbrücks erst richtig an Fahrt auf. Dies ist keine Referenz für einen Vortragenden.

Skandalös wird es jedoch, wenn Herrn Steinbrück ein fünfstelliges Honorar gezahlt wird, aber nahezu zeitgleich die Kontoführungsgebühren erhöht werden. Nach wie vor existiert bei der Führungsebene der Sparkasse kein Bewusstsein, einen schweren Fehler gemacht zu haben. Daher bedarf es eines deutlichen Zeichens des Rates.

Zum Ende meiner Rede will ich mich noch einmal, wie ich es schon am 25.06.2012 getan habe, mit einem Appell an jene Ratsmitglieder wenden, deren Parteikolleginnen und -kollegen
Regierungsverantwortung in Land und Bund tragen.

Nehmen Sie Einfluss auf ihre Mandatsträger, damit diese endlich die notwendigen politischen Entscheidungen treffen, um sowohl Witten als auch die anderen betroffenen Kommunen aus der Schuldenkrise zu befreien.

Danke für ihre Aufmerksamkeit