Die Linke Fraktion Witten: Reden/Haushaltsreden

Rede zum Haushalt 2014

vorgetragen vom Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Wolf


Jürgen Wolf

Frau Bürgermeisterin, geehrte Damen und Herren,

der vorliegende Haushalt ist der letzte, über den wir vor den Kommunalwahlen zu entscheiden haben. Daher ist es wichtig, ein Resümee zu ziehen und einen Ausblick auf die zukünftigen kommunalen Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.

Dass sich die Stadt Witten unter den vom Bund und vom Land NRW gesetzten Bedingungen in einer ausweglosen finanziellen Situation befindet, ist offensichtlich.

Im Bund regierten in den letzten Jahrzehnten Koalitionen von CDU und FDP, CDU und SPD sowie SPD und GRÜNEN. Alle diese Koalitionen haben keine wirksamen Schritte zur Sanierung der Kommunalfinanzen eingeleitet. Im Gegenteil wurde durch Steuergeschenke an

die Reichen dieses Landes (Senkung des Spitzensteuersatzes, Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne) die finanzielle Talfahrt der Gemeinden erst herbeigeführt.

Und auch von der möglichen neuen großen Koalition haben die Kommunen nichts Positives zu erwarten. Denn diese hat bereits verlauten lassen, keine Steuern zu erhöhen. Wer aber nicht bereit ist, Steuern zu erhöhen, vor allem von den Wohlhabenden dieser Gesellschaft, wird nicht in der Lage sein, den Kommunen finanziell zu helfen. Damit werden die Kommunen weiter ausgeblutet.

Und es ist auch nicht abzusehen, dass die Verletzung des Konnexitätsprinzips beendet wird. Die Gemeinde wird mit pflichtigen Aufgaben belastet, vor allem im Sozialbereich, erhält aber dafür nicht den angemessenen finanziellen Ausgleich. Der Bund bestellt, aber er bezahlt nicht.

DIE LINKE setzt hier auf eine andere Politik. Wir fordern die Einführung einer Millionärssteuer. Dies ist eine Steuer auf große Vermögen, d.h. 5% ab einem Nettovermögen von 1 Mio. Euro. Dadurch könnten bundesweit Mehreinnahmen in Höhe von 80 Mrd. Euro jährlich erzielt werden. Witten könnte ca. 21 Mio. € im Jahr mehr erhalten. Damit könnte ein Schuldenabbau ohne soziale Einschnitte schneller und effizienter vorangebracht werden. Die Finanzen der Stadt könnten mittelfristig stabil gehalten werden. Deshalb beantragen wir, dass die Stadt Witten sich auf Bundes- und Landesebene für eine Millionärssteuer einsetzt.

Aber nicht nur der Bund trägt die Verantwortung für die katastrophale finanzielle Situation Wittens. In Nordrhein-Westfalen wird die kommunale Misere wesentlich durch das Stärkungspaktgesetz hervorgerufen, dass der Landtag NRW am 8.12.2012 mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN verabschiedet hat. Auch ein Wittener Ratsmitglied der GRÜNEN war dabei, obwohl es die kommunale Situation genau kennen müsste.

Witten erhält dabei vom Land 7,2 Millionen Euro jährlich, aber soll dafür etwa das Dreifache einsparen. Dafür musste ein Sanierungsplan aufgestellt werden, der die Liste der Grausamkeiten enthält, wo und wie gespart wird. Das davon im Wesentlichen die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt betroffen sind, ist selbstverständlich.

Deshalb hat die LINKE vehement gegen den Stärkungspakt opponiert. Es war offensichtlich, dass die 350 Millionen Euro, die bis zum Jahre 2016 an die 34 zwangsverpflichteten Kommunen, darunter Witten, fließen sollen, längst nicht ausreichen, um einen von diesem Gesetz geforderten Haushaltsausgleich bis 2016 zu erreichen.

Inzwischen hat der Kämmerer der Stadt erklärt, dass ein Haushaltsausgleich im Jahre 2016 nicht erreicht werden kann. Schon in meiner Haushaltsrede 2013 im März dieses Jahres haben wir als LINKE Ratsfraktion diese Entwicklung prognostiziert. Der Kämmerer gibt uns jetzt Recht.

Es ist daher offensichtlich, dass der Stärkungspakt nicht geeignet ist, die Kommunalfinanzen zu sanieren, sondern lediglich zur sozialen und kulturellen Verödung der betroffenen Kommunen führen wird. Die Betroffenen des Sanierungsplans sind die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Sie sollen die Zeche zahlen, ohne für die Ursachen des Problems verantwortlich zu sein und ohne die Aussicht zu einer wirklichen Sanierung der desolaten Finanzsituation beizutragen.

Einen Haushalt, der sich diesen Vorgaben beugt, lehnen wir ab.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob Witten sein Potential an sinnvollen Einsparungen und Einnahmen ausgeschöpft hat und wer von den Kürzungen und kommunalen Steuern nicht oder nur wenig betroffen ist.

Das sind beispielsweise private Investoren, für die die Stadt Bebauungspläne erstellt und Bebauungsplanverfahren durchführt. Immer noch verzichtet Witten darauf, grundsätzlich das Instrument des vorhabenbezogenen Bebauungsplans anzuwenden und die Gutachtenkosten von den Investoren bezahlen zu lassen. Dies wollen wir mit zwei Anträgen ändern. In einer Stadt, deren Einwohner vom Verlust ihrer sozialen und kulturellen Infrastruktur betroffen sind, dürfen nicht weiterhin private Investoren subventioniert werden.

Viel zu wenig werden die Betreiber sogenannter „Casinos“, in denen sich Geldspielgeräte aneinander reihen, zur Kasse gebeten. Witten ist Spitzenreiter bei den Spielgeräten – auf 188 Einwohner kommt ein Geldspielgerät. Hier wird Profit auf Kosten von Hoffnungslosen und Spielsüchtigen gemacht. Eine verstärkte Abschöpfung der Gewinne und eine Reduzierung attraktiver Steuerregelungen sind erforderlich und angesichts gesprochener Urteile möglich. Wir beantragen daher, die Vergnügungssteuer im Jahr 2014 um 4% zu erhöhen.

Aber auch auf Seiten Städtischer Unternehmen sind sinnvolle Einsparungen möglich. So muss die Praxis der Stadtsparkasse beendet werden, Gastrednern Honorare in fünfstelliger Höhe zu bezahlen. 500 € sind ausreichend, manch ein Redner kommt sogar kostenlos.

Ein weiterer finanzpolitischer Skandal sind die exorbitanten Bezüge des Vorstands der Sparkasse. Laut dem Geschäftsbericht 2012 der Sparkasse beträgt die Gesamtvergütung des Vorstandsvorsitzenden 401.000 Euro, die Gesamtvergütung des zweiten Vorstandsmitglieds 341.000 Euro. Damit erhalten die Vorstandsmitglieder der Sparkasse Witten eine Summe in der Größenordnung des Gehalts der Bundeskanzlerin. Dies ist absolut unverhältnismäßig. Daher ist auf die Sparkasse einzuwirken, die Bezüge der Vorstandsmitglieder der Sparkasse Witten pro Person auf eine Summe zu begrenzen, die die Höhe des Gehalts eines Stadtkämmerers nicht übersteigt.

Meine Damen und Herren, an diesen Anträgen sehen Sie, welches finanzpolitische Leitbild Witten in Zukunft haben muss: Keine Subventionierung von Wohlhabenden, konsequente Besteuerung der Verursacher unerwünschter Entwicklungen und die Rückführung astronomischer Vergütungen auf ein angemessenes Maß. Diese Missstände gilt es zu beseitigen und nicht im Sozialen, Kulturellen oder im Umweltschutz Gelder zu streichen.

In welche Richtung soll Witten sich zukünftig entwickeln?

Zu einer positiven kommunalen Entwicklung gehört die Partizipation aller Einwohner an der Entwicklung einer Stadt. Voraussetzung hierfür ist die größtmögliche Transparenz. Gerade am Beispiel des Wittener Haushalts zeigt sich, dass diese offensichtlich von der Mehrheit der Verwaltung und des Rates nicht gewünscht ist. Im Gegensatz beispielsweise zum Kreishaushalt werden die Transparenzmöglichkeiten des Neuen kommunalen Finanzmanagements nicht annähernd ausgeschöpft. Der Haushaltplan zeichnet sich durch pauschale Angaben sowie fehlende Ziele und Kennzahlen aus.

Und auch die Darstellung der finanziellen Situation Wittens im Haushalt ist verbesserungsbedürftig. Die Lage der stadteigenen GmbH, des Zahnmedizinisch-Biowissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungszentrums, kurz ZBZ, ist nicht Teil des Haushalts, sondern wird lediglich nachrichtlich im Haushalt 2014 dargestellt. Das ZBZ hat in 2012 48.000 € Miese erwirtschaftet. Die Stadt Witten hat eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 11 Millionen € für das ZBZ übernommen.

Wenn die Stadt in dieser Höhe für das ZBZ bürgt, dann sollte das ZBZ als GmbH aufgelöst werden und die Aufgaben als städtische Aufgaben weiter geführt werden. So können die bisherigen Aufgaben des ZBZ vollständig und transparent von der Stadtverwaltung unter Einbeziehung der Fachausschüsse und des Rates gesteuert werden. Wir diskutieren in vielen Fällen engagiert über Einsparungen, die weit unter den oben genannten Summen liegen. Daher sollten die risikobehafteten Aufgaben des ZBZ eng parlamentarisch begleitet werden. Die Aufgaben können von den MitarbeiterInnen im Amt für Wirtschaftsförderung gut erledigt werden. Hier gibt es bereits große personelle Überschneidungen.

Für eine effektive Partizipation der Zivilgesellschaft ist es notwendig, dass gemeinnützige Vereine oder Bürgerinitiativen bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit ungehindert ihre Anliegen darstellen können. Finanzielle Hürden sind dabei abzubauen. Deshalb beantragen wir, keine Sondernutzungsgebühren mehr bei ehrenamtlichen Tätigkeiten zu erheben, beispielsweise bei Informationsständen in der Innenstadt und den Stadtteilen.

Zu einer positiven Entwicklung Wittens gehören auch gute soziale und kulturelle Rahmenbedingungen.

Daher lehnen wir Kürzungen bei der Musikschule ab. Die musische Erziehung ist ein wichtiger Baustein für die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen. Die Auseinandersetzung mit Klängen und Melodien fördert die Entwicklung des Gehirns und der logischen Denkfähigkeit. So werden wichtige Grundlagen für eine erfolgreiche Schul- und Berufsbildung geschaffen. Wir haben daher beantragt, dass für das Personal der Musikschule in 2014 die gleichen Gelder wie im vergangenen Jahr 2013 zur Verfügung gestellt werden, um auch weiterhin einen hoch qualifizierten Musikschulunterricht zu gewährleisten.

Und wir sind es den Beschäftigten des Rathauses schuldig, vor Veränderungen ihrer Arbeitswelt die Auswirkungen von Entscheidungen bereits im Vorfeld zu ermitteln. Dies gilt insbesondere für das Flexibilitätskonzept hinsichtlich der Raumkonzeption im Rahmen der Rathaussanierung. Für eine derartige Konzeption liegen keine Untersuchungen vor, die die Auswirkungen auf die Beschäftigten darstellen. Daher beantragen wir, dass eine Sozialverträglichkeitsstudie in Auftrag gegeben wird, um die sozialen Auswirkungen der zukünftigen Raumkonzeption des Rathauses auf die Beschäftigten zu ermitteln, darzustellen und zu bewerten.

Ein wesentlicher Bestandteil eines städtischen Leitbilds muss die Bewältigung umweltpolitischer Anforderungen sein.

Gerade beim Thema „Ruhrstraße“ haben sowohl die „Koalitionäre“ von SPD, GRÜNEN und WBG wie auch die „Opposition“ von CDU, Bürgerforum und FDP versagt. In der Ruhrstraße herrscht seit Jahren eine extrem gesundheitsgefährdende Schadstoffkonzentration an Stickoxiden. Der von Anfang an überoptimistische „Luftreinhalteplan Witten“ ist gescheitert, die Schadstoffkonzentrationen verharren auf erschreckend hohem Niveau. Statt europäisches Recht und Immissionsgrenzwerte endlich zu beachten, setzen Sie jedoch weiterhin auf wirkungslose Maßnahmen. Wir fordern Sie auf, nicht weiter zu lamentieren oder zu beschönigen, wie es in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses erfolgt ist, sondern endlich zu handeln. Daher haben wir den Antrag gestellt, die Ruhrstraße zur Fußgängerzone zu erklären.

Eine der größten Herausforderungen der Zukunft wird der Kampf gegen die Auswirkungen der globalen Erwärmung aufgrund von Treibhausgasen sein. Dies gilt für alle Ebenen - auch für die Kommunen. Wir beantragen daher, dass ein Gutachten "Anpassung an den Klimawandel - Maßnahmen für Witten" in Auftrag gegeben wird. In diesem Gutachten sollen die betroffenen Schutzgüter und kritischen Infrastrukturen sowie Maßnahmen zur Verhinderung und Begrenzung der Klimawandelauswirkungen ermittelt werden.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir ein abschließendes Wort. Beginnen Sie endlich damit, die Probleme Wittens zu lösen und nicht in einem „Weiter so!“ zu verharren. Die Zukunft Wittens muss sozial, ökologisch und partizipativ sein. Welche positiven Entwicklungsmöglichkeiten bestehen, haben wir exemplarisch in unseren Anträgen dargestellt.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.