Die Linke Fraktion Witten: Reden/Haushaltsreden

Rede zum Haushalt 2015

vorgetragen durch die Fraktionsvorsitzende Ursula Weiß

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

die LINKE wünscht sich einen Haushalt für die Stadt Witten, der sozial und ökologisch, transparent und finanzierbar ist. Doch dafür fehlen derzeit die Rahmenbedingungen.

1. Deutschland ist ein reiches Land. Aber wo ist all das Geld? Weshalb fehlt es in Witten zur Erledigung der notwendigen Aufgaben? Ein Grund ist unter anderem folgender Sachverhalt:

Luxemburg Leaks: Süddeutsche Zeitung 6.11.2014

'In Luxemburg sind gezielte Steuersparmodelle vereinbart worden mit multinationalen Unternehmen wie Procter and Gamble, Amazon, Ikea sowie mit deutschen Konzernen wie Eon, Fresenius Medical Care und Deutsche Bank. All diese Unternehmen haben durch besondere Vereinbarungen mit der Regierung in Luxemburg ca. 2 Billionen Euro Steuern gespart. Diese Vereinbarungen namens „tax rulings“ konnten die Steuersätze der Unternehmen auf z. T. unter ein Prozent drücken. Die Steuerausfälle betragen europaweit jährlich ca. 2 Billionen Euro',
so der Deutschlandfunk am 7.11.2014

Walter Borjans, Finanzminister NRW, führte am gleichen Tag ebendort aus: "160 Mrd. Euro aus dieser Summe hätte die BRD erhalten können!"

Was würde dies für Witten bedeuten?

Bei 80 Mio. EinwohnerInnen in Deutschland sind dies pro Einwohner 2000 € und für Witten 190 Mio €.

Diese Summe von 190 Mio. € hätte der Stadt Witten zusätzlich auch nur in einem Jahr sehr gut getan!

Zum Vergleich: Der Haushaltsentwurf 2015 plant einen Gesamtergebnisplan mit Aufwendungen in Höhe von 273 Mio €, Investitionen in Höhe von 16 Mio €.

Ende 2015 sind 334 Mio. € an Liquiditätskrediten = Kassenkrediten und 63 Mio. Euro weitere Krediten, insgesamt 397 Mio € Gesamtkredite geplant, siehe S. 14 im Vorbericht zum Haushaltsplan 2015.

Phantasiereiche Kollegen und Kolleginnen unter uns können sich gut vorstellen, dass wir mit zusätzlichen Steuermitteln in Höhe von 2 x Luxemburg schuldenfrei sein könnten!

Dieses Geld fehlt uns! Für Kindergärten und Ü 3 Betreuung, für ausreichende Zügigkeiten an allen Schulen, für Straßen und Umweltschutzmaßnahmen. Lassen Sie uns gemeinsam die zuständigen Stellen auf Landes- und Bundesebene sowie im Europaparlament auffordern, dass zukünftig diese Gelder als Steuerbeiträge namhafter Großkonzerne den europäischen BürgerInnen zu Gute kommen.

2. Aus eigener Kraft kann die Stadt Witten nicht aus der Finanzmisere gelangen.

Der Stärkungspakt stürzt die Kommune weiter ins Elend. Deshalb werden wir uns nicht an einer Kürzungspolitik beteiligen, die notwendige Leistungen hier abbaut und die Gelder anschließend wie in einem schwarzen Loch verschwinden lässt. Bereits deshalb lehnt die LINKE diesen Haushaltsentwurf ab. Die Verantwortung für die Misere müssen Land und Bund selbst tragen.

Der Deutsche Städtetag schreibt in seinem Heft 9/14, S. 2: „Die schwierige Situation strukturschwacher Städte ist nicht mehr hinnehmbar. Der Bund muss neben den für die Finanzausstattung der Kommunen hauptsächlich verantwortlichen Ländern zugunsten der strukturschwachen Kommunen handeln. Denn der Verlust der finanziellen Handlungsspielräume bei diesen Städten gefährdet ihr Recht auf Selbstbestimmung. Die kommunales Selbstverwaltung ist im Grundgesetz garantiert.“ Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz

Viele Aufgaben, die der Stadt von Land und Bund gesetzlich zugewiesen werden, sind nicht mit ausreichenden Finanzmitteln für deren Erfüllung ausgestattet. Mit unserem Antrag „Jährliche Erstellung eines Konnexitätsberichts Witten“ kann Transparenz in dieses Missverhältnis gebracht werden.

Der Kommunalfinanzbericht 2013 von Verdi unterstreicht dieses allgemeine Problem der fehlenden Konnexität. Dort heißt es auf Seite 41: „Allerdings wäre dies – die Erfüllung der Konnexität im Sozialbereich – für den Bund grob geschätzt mit jährlichen Mehrausgaben von 6 Mrd. € verbunden.“ Da lässt sich Finanzminister Schäuble doch lieber für eine angeblich schwarze Null im Bundeshaushalt feiern.

Insgesamt besteht das Haushaltsproblem aus Sicht der LINKEN nicht aus einem Ausgabeproblem sondern aus einem Einnahmeproblem.

Weitere Vorschläge zur Verbesserung der Einnahmesituation in Witten finden Sie in den folgenden Anträge der LINKEN:

- Initiative auf Bundes- und Landesebene zur Einführung der Millionärssteuer, mögliche Mehreinnahmen für Witten in der Größenordnung von zweistelligen Millionen Beträge

- Initiative auf Landesebene zur Erhöhung der jährlichen Zuweisungen an die Stadt Witten um 5 Mio. €, Schlüsselzuweisungen

- Einführung einer kommunalen Wettbürosteuer

- Erhöhung der kommunalen Vergnügungssteuer.

Meine Fraktionskollegen werden die Anträge später vorstellen.

Keine Unterstützung finden bei uns die Vorschläge der GroKo in Witten, also der SPD und CDU, zur Einnahmenverbesserung: Wir lehnen die Erhöhung der Grundsteuer B als auch die Erhöhung der Gewerbesteuer ab. Damit werden sowohl zukünftige Gewerbetreibende als auch zukünftige MitbürgerInnen abgeschreckt. Durch Anhebung der Grundsteuer und Gewerbesteuer-Hebesätze werden auch Wittener Firmen ihren Postkasten in steuergünstigere Orte verlegen. Dies ist bereits in anderen Städten schon beobachtet worden....

Die geplante Erhöhung der Hundesteuer ist ebenfalls unsozial. Sie belastet die sozial Schwachen. Hunde sind für viele einsame Menschen wichtige soziale Partner!

3. Damit sowohl BürgerInnen als auch Ratsmitglieder die Wittener Belange mit dem Haushaltsplan steuern können, muss nachgebessert werden. Das Neue Kommunale Finanzmanagement ist vor zehn Jahren eingeführt worden, um die kommunalen Haushalte transparenter und besser steuerbar zu gestalten. Erste Schritte dazu ist auch die Wittener Stadtverwaltung gegangen. Jetzt müssen unbedingt weitere Schritte folgen. Die Ziel- und Kennziffern sollen Maßnahmen zur Zielerreichung beschreiben. Näheres haben wir in unseren Antrag zum NKF ausgeführt.

4. Zur Stärkung der auch in Witten wichtigen ehrenamtlich Tätigen beantragen wir einen finanziellen Beitrag: Viele aktive Gruppen organisieren ein- oder mehrmals im Jahr Infostände in der Fußgängerzone oder auf den Bürgersteigen. Dafür müssen Sondernutzungsgebühren gezahlt werden. Nach unserer Meinung sollten auf diese Gebühren zukünftig verzichtet werden. Wer sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft einsetzt, sollte mit nicht auch noch Gebühren dafür bezahlen müssen.

5. Mehr Informationen über die Umweltsituation in Witten soll mit unserem Antrag zur Bereitstellung dieser Daten auf einer Seite der Homepage der Stadt Witten erreicht werden. Ein Klick und die Bürger wissen, wie es mit der Luftqualität in ihrer Umgebung aussieht.

6. Nicht nur mit Stolpersteinen oder am 9. November wollen wir uns mit den Folgen von Krieg und Nationalsozialismus auseinandersetzen. In Witten gibt es eine Reihe von Denkmalen, die durchaus kriegsverherrlichenden Charakter haben. Ich erinnere nur an die Siegesstatue am Karl-Marx-Platz, die des Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gedenkt. Hier fehlen Infotafeln, die die Botschaften der Denkmale historisch kritisch einordnen.

7. Die GroKo hat vor drei Tagen einen Antrag gestellt, in dem verschiedene Organisationen mit unterschiedlichen Summen bedacht werden sollen. In der Begründung heißt es u.a., „Deshalb müssen wir unsere Demokratie vielfältiger gestalten.“ … „Wir hoffen, damit Politikinteresse und allgemeines politisches Wissen zu fördern.“

Dies soll mit Hilfe der Ausschüttung von Summen von 3.000 € bis 30.000 € erfolgen. Eigene Anträge der Gremien, Beiräte oder Gruppen selbst für diese Gelder, liegen uns bisher nicht vor. Eine Ausschüttung erfolgt an ein Gremium, welches noch gar nicht existiert: der Kulturbeirat. Ob die vorgeschlagene Zuwendung von 3.000 € dort überhaupt gebraucht wird, kann jetzt noch niemand wissen!

Geld verteilen nach Gutsherrenart – das gehört sich nicht!

Erst recht nicht für eine Kommune mit einem Haushalt im Stärkungspakt!

Gremien und Vereine sollen in einem geordneten Verfahren mit Anträgen und Beratungen in den Fachausschüssen die notwendigen Zuwendungen erhalten. Wir haben einen entsprechenden Antrag übers Wochenende dazu geschrieben.

Im parlamentarischen Raum geht es der Groko, also SPD und CDU hingegen nicht so sehr um eine Vergrößerung der demokratischen Vielfalt. Nach der letzten Kommunalwahl gibt es mehr Fraktionen als zuvor. Weil mehr Fraktionen im Rat mehr Geld kosten, haben SPD und CDU ihre eigenen Bezüge erhöht und stabilisiert, aber die der kleinen Fraktionen gekürzt.

Das beschädigt das Ansehen der Demokratie!

Keine Stärkung der Demokratie und der Mitwirkung im Rat waren die Reduzierungen der Redezeiten und die Einschränkung der Minderheitenrechte durch SPD und CDU.

Es passt nicht zusammen, über das fehlende Interesse an der Politik zu lamentieren und es durch strukturelle Veränderungen im Rat zum Teil selbst herbeizuführen.

Trotzdem: Gemeinsam können wir einiges für unsere Stadt und ihre finanzielle Konsolidierung anstoßen. Notwendig ist dabei der Vorrang von sozialen und ökologischen Aspekte.

Dazu fordern wir Sie alle auf.

Herr Richter, die von Ihnen in der letzten Ratssitzung groß angekündigte Busfahrt nach Berlin steht noch aus. Das wird wohl auch nichts mehr. Ich schlage vor: Lassen Sie uns erst einmal mit den in Witten lebenden Vertretern von Bundestag und Landtag, Herrn Stotko, Frau Schäffer und Herrn Kapschak über die Finanzen der Stadt sprechen. Dafür reicht ein Taxi aus!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!