Erstellung eines aktuellen qualifizierten Mietspiegels für Witten

DIE LINKE. Fraktion Witten

Erhöhung des Aufwands für das Produkt 100 501 im Produktbereich Bauen und Wohnen um 50.000 €

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Leidemann,

die Fraktion DIE LINKE beantragt, die Produktbeschreibung und den Ansatz von Produkt 100 501 wie folgt zu ändern:

Antrag:

Der Produktbeschreibung von Produkt 100 501 wird hinzugefügt:

- Begleitung der Vorbereitung, Auftragsvergabe und Erstellung eines aktuellen qualifizierten Mietspiegels für Witten

Dem Ansatz für Sachaufwand wird hinzugefügt:

- 50.000 € für die Erstellung eines aktuellen qualifizierten Wittener Mietspiegels

Begründung:

Qualifizierte Mietspiegel stellen das verlässlichste und rechtlich verbindlichste Instrument zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und damit für die Begründung und Überprüfung von Mieterhöhungen dar.

Nach § 558c BGB sollen die Gemeinden einen Mietspiegel erstellen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht. Mietspiegel müssen im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden. Ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d BGB muss nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt werden und von der Gemeinde oder von den Interessenvertretern der Mieter und Vermieter anerkannt werden. Der qualifizierte Mietspiegel kann nach zwei Jahren einmal nach dem Lebenshaltungskostenindex fortgeschrieben werden.

In Witten fand die letzte statistische Erhebung für den Mietspiegel 2011 im Jahre 2010 statt. Aufgrund nicht bereit gestellter Haushaltsmittel konnte nur eine sehr behelfsmäßige Erhebung stattfinden und insbesondere keine repräsentative Stichprobe aus der Gesamtheit aller mietspiegelrelevanten Wohnungen in Witten gezogen werden. Bei der Auswertung der Daten behalf sich die Mehrheit des beteiligten Arbeitskreises Mietspiegel mit hilfsweisen subjektiven Einschätzungen des Marktniveaus der unterrepräsentierten Wohnungen, was im Vergleich zu den ungewichteten Datensätzen zu einer deutlichen Anhebung des Mietspiegelniveaus führte. Das Vorgehen wurde vom MieterInnenverein Witten als mit wissenschaftlichen Grundsätzen unvereinbar abgelehnt. Der MieterInnenverein protestierte auch gegen die Anerkennung des Mietspiegels durch die Stadt Witten. In späteren Mieterhöhungsverfahren wurde der Mietspiegel von Mieterseite vor Gericht als unwissenschaftlich angegriffen. In einem Sachverständigengutachten kam ein Statistikprofessor zu dem Schluss, dass der Mietspiegel aus mehreren Gründen wissenschaftlichen Grundsätzen nicht genüge.

Trotz der massiven Kritik wurde der Mietspiegel 2011 im Jahre 2013 für weitere zwei Jahre nach dem Lebenshaltungskostenindex fortgeschrieben. Mittlerweile ist auch diese Fortschreibung abgelaufen, so dass die Stadt Witten zurzeit weder über einen qualifizierten noch einen geltenden einfachen Mietspiegel verfügt. Inzwischen gehen Großvermieter dazu über, ihre Mieterhöhungen mit drei aus ihrem eigenen Wohnungsbestand ausgewählten Mietwohnungen zu begründen. Die ortsübliche Vergleichsmiete muss dann ggf. im Mieterhöhungsverfahren durch Sachverständigengutachten ermittelt werden. Diese Sachverständigen verfügen jedoch auch nicht über eine verlässliche Datengrundlage.

Im Ergebnis führt diese Situation zu einer für Mieter und Vermieter sehr unbefriedigenden Rechtsunsicherheit. Der Vermieter muss bei einem Mieterhöhungsversuch damit rechnen, dass er die von ihm geforderte Miethöhe vor Gericht nicht beweisen kann. Der Mieter muss befürchten, dass der Vermieter seine aus der Luft gegriffene Mieterhöhung vor Gericht durch Sachverständigenbeweis belegen kann, so dass der Mieter zusätzlich die Kosten des Rechtstreits einschließlich Gutachten zu zahlen hat. Große private Vermieter nutzen diese Situation aus, indem sie einer Vielzahl von Mietern inhaltlich schlecht begründete Mieterhöhungen zustellen. Diesen wird aus Furcht vor der Klage von vielen Mietern zugestimmt. Gegen den Rest wird höchstens selektiv auf Zustimmung geklagt. Damit können Großvermieter auch dort Mieterhöhungen durchsetzen, wo dies kleinen Vermietern zu riskant erscheint.

Zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit und zur Entlastung der völlig überforderten Gerichte ist die Neuerstellung eines qualifizierten Mietspiegels dringend erforderlich. Er dient nicht zuletzt auch der Planungssicherheit von Wohnungsinvestitionen und der Verhinderung von unbegründeten Mietensprüngen in Teilsegmenten des Wohnungsmarktes. Da im Besonderen die BezieherInnen von ALG II und Grundsicherung von Mieterhöhungswellen der Großvermieter betroffen sind und der Mieterhöhung oft nicht durch Fortzug ausweichen können, kommt es gerade in diesem Bereich zu empfindlichen Kostensteigerungen, die zu Mehrbelastungen der Kommunalhaushalte oder aber zu Verdrängungen der MieterInnen in noch schlechtere Unterkünfte führen. Das Fehlen eines verbindlichen Mietspiegels führt auch dazu, dass die Stadt kaum gegen Mietüberhöhungen vorgehen kann und bei der Anmietung von Wohnraum für Geflüchtete oder Wohnungsnotbetroffene ohne Orientierungsmaßstab ist.

Die Stadt Witten verfügt selbst nicht (mehr) über die erforderlichen Kapazitäten und Qualifikationen für die Durchführung der erforderlichen Datenerhebungen und Datenauswertungen. Deshalb, und um die erforderliche Neutralität zu gewährleisten, muss der Auftrag zur wissenschaftlichen Mietspiegelerstellung extern ausgeschrieben und vergeben werden. Dabei ist mit Kosten von 50.000 € zu rechnen. Auf keinen Fall darf sich die Situation wiederholen, dass die Mietspiegelerhebung aufgrund unzureichender Finanzierung nicht die erforderliche Repräsentativität aufweist.

Die Stadtverwaltung, die Interessenverbände der Mieter und Vermieter und die Wohnungswirtschaft sind als Arbeitskreis Mietspiegel an der fachlichen Erörterung der Ausschreibungskriterien des Auftrages, des Fragebogens- und Erhebungskonzeptes sowie der Auswertungsmethoden zu beteiligen. Ihre Einschätzungen zum Wohnungsmarkt ersetzen aber nicht die Erhebung und ihre statistische Auswertung durch ein wissenschaftliches Gutachten.


Mit freundlichen Grüßen

Ulla Weiß

(Fraktionsvorsitzende)